QUALITÄTSPRINZIPIEN: SINNVERWIRKLICHUNG STATT GEWINNEN-WOLLEN

Das Bild zeigt Schienen, die in den offenen Raum führen und dort enden. Nur die weitere Richtung wird angezeigt. Es gilt, dem Sinn zu folgen, denn nichts ist kraftvoller als Sinnverwirklichung.

Müssen wir in der Krise unsere Konkurrenten besiegen?

In den vergangenen Wochen haben wir Ihnen bereits fünf Prinzipien für Qualität in der VUKA-Welt vorgestellt: Gestaltung, Vielfalt, AchtsamkeitKompetenzbasierte Entscheidungen und Kundenfokus.

Heute kommen wir zum zentralen Qualitätsprinzip, das uns auch in krisenhaften Zeiten Orientierung bieten kann: Statt dem kurzfristigen und kurzsichtigen Motiv des Gewinnen-Wollens zu erliegen, verfolgen wir die langfristige Ausrichtung der Verwirklichung von Sinn. Denn: Nichts ist kraftvoller als Sinnverwirklichung!

Qualitätsprinzip 1: Sinnverwirklichung statt Gewinnen-Wollen

Dauerhafter Erfolg im unendlichen Spiel.

Das Bild zeigt zwei Männer, die darum konkurrieren, als erster die Bergspitze zu erreichen, um dort die eigene Fahne zu platzieren. Das Ziel ist zu gewinnen. Aber Sinnverwirklichung ist kraftvoller als Gewinnen-Wollen.m

Über den Kampf um Marktanteile und Dominanz verlieren viele Unternehmen ihre Orientierung.

Worum geht es eigentlich?

Zwei CEOs, die über ihre Unternehmen sprechen: Herbert Diess, Chef des nach Umsatzzahlen weltgrößten Automobilkonzerns, der Volkswagen AG, und Jos de Blok, Gründer und Geschäftsführer des niederländischen Pflegedienstes Buurtzorg, mit derzeit 14.500 Mitarbeitern und Präsenz in 25 Ländern.

Zuerst Herbert Diess:

„2023 und 2024 wollen wir die Software (…) so einsetzen, wie Tesla das schon heute macht.“

„In fünf bis zehn Jahren wird das wertvollste Unternehmen der Welt ein Mobilitätsunternehmen sein. Und das kann Tesla, Apple oder Volkswagen AG (…) heißen.“
(Quelle: Handelsblatt, 2020)

Dann Jos de Blok:

„Meiner Ansicht nach ist die ganze Vorstellung von Konkurrenz idiotisch. Sie ist völlig sinnlos. Wir versuchen herauszufinden, wie wir unsere Arbeit so organisieren können, dass wir die bestmögliche Pflege gewährleisten können. Wenn wir dieses Wissen und diese Information teilen, dann wird sich die Betreuung der Menschen schneller verbessern.“
(Quelle: Frederic Laloux, 2017)

Wenn wir die Statements der beiden betrachten, fällt uns zunächst auf, dass Jos de Blok das Wohl seiner Kunden am Herzen liegt, während wir bei Herbert Diess auf pure Egozentrik treffen: bei ihm dreht sich alles um das Wohl und Wehe der Volkswagen AG.

Und weiter können wir feststellen, dass sich Diess zur Ausrichtung seines Unternehmens an der Konkurrenz orientiert. Tesla ist derzeit der Hauptgegner, den es einzuholen und dann zu übertrumpfen gilt. Und Apple gleich mit. Diess‘ großes Ziel ist es, das „wertvollste Unternehmen der Welt“ zu werden. Dann hat man alle anderen geschlagen, ist der Gewinner.

Jos de Blok macht deutlich, worum es ihm geht, nämlich um die „bestmögliche Pflege“ und um die Verbesserung der „Betreuung der Menschen“. Konkurrenzverhalten steht der Erreichung dieser Ziele im Weg. Kooperation fördert sie. Deshalb lehnt er Konkurrenz ab und setzt auf Kooperation.

Buurtzorg ist äußerst erfolgreich. Das Buurtzorg Pflege- und Unternehmenskonzept entwickelt und verbreitet sich immer weiter. 

Die Volkswagen AG hat dagegen, trotz und wegen Diess‘ Kurs der Elektromobilität, schwerwiegende strategische Probleme im Inneren und in den Märkten.

Die Fokussierung auf die Konkurrenz, der Kampf um Marktanteile und Dominanz bietet keine strategische Orientierung. An dieser Schwäche leiden viele Unternehmen – gerade in unserer Zeit der disruptiven Veränderungen.

Qualität kann nur entstehen, wenn ein höherer, über das Geldverdienen hinausreichender Sinn und Zweck verfolgt wird.

Purpose statt Profitmaximierung

Jahrzehntelang galt die Sichtweise, dass der einzige Sinn und Zweck eines Unternehmens darin besteht, Geld zu verdienen (das hauptsächlich den Aktionären zusteht), faktisch als alternativlos. Nun gerät dieses Konzept des Shareholder-Value-Kapitalismus zunehmend unter Druck.

Auf einmal hält der Purpose, der über das Geldverdienen hinausreichende Sinn und Zweck wirtschaftlichen Tuns, Einzug in Managementvorlesungen, Unternehmerkongresse und Unternehmensverlautbarungen. Sogar aus dem Zentrum der Finanzmacht, von dem Gründer und CEO von BlackRock, der weltgrößten Vermögensverwaltungsgesellschaft, ertönte ein Aufruf unter dem Titel „Neue Sinnhaftigkeit“.

„Ohne zu wissen wofür, kann kein Unternehmen, ob börsennotiert oder nicht, sein ganzes Potenzial entfalten.“
(Larry Fink 2018)

 Welche Sinnhaftigkeit, welches „Wofür“, liegt Diess‘ Vision zugrunde, VW zum wertvollsten Unternehmen der Welt zu machen? In erster Linie werden Macht und Reichtum der Eigentümer vermehrt. Wenn aber Sinn und Zweck einer Tätigkeit darin bestehen, eine Partei maximal zu bereichern, muss das auf Kosten anderer gehen. Unter anderem auf Kosten der Kunden. Das heißt, dass ein solcher Ansatz nicht nur die Entfaltung der vollen Leistungsfähigkeit des Unternehmens behindert. Er wirkt sich auch unausweichlich zu Lasten der Qualität aus.

Qualität kann nur entstehen, wenn ein „höherer“, mehr ganzheitlicher Purpose verfolgt wird.

Das Bild zeigt eine Gruppe von Bergsteigern, die sich gegenseitig unterstützen, den Gipfel zu erreichen. Sinnverwirklichung statt Gewinnen-Wollen - nichts ist kraftvoller.

„Es ist die gerechte Sache, an deren Umsetzung wir arbeiten, die unserer Arbeit und unserem Leben einen Sinn verleiht.“
(Simon Sinek).

Sinn und Zweck

Purpose hat etwas von beiden Begriffen: Sinn und Zweck. Diese werden meist gemeinsam, in genau dieser Reihenfolge, verwendet. Manchmal werden sie auch synonym gebraucht. Sinn und Zweck lassen sich aber grundlegend voneinander unterscheiden.

Die Grafik zeigt die Unterscheidung von Sinn und Zweck. Nichts ist kraftvoller als Sinnverwirklichung.

Um den Zweck einer Handlung, einer Regelung oder einer Organisation herauszufinden, eignet sich meist die Frage „Warum?“. Zweck lässt sich begründen mit etwas Bestehendem, der Vergangenheit Entstammendem, etwa einem Problem, einer Überzeugung, einer Ordnungsvorstellung, einer Methodik, einem konkreten Plan. Und ob ein Zweck erfüllt ist, kann man üblicherweise am äußeren Ergebnis feststellen.

Sinn lässt sich dagegen nicht einfach vorfinden, sondern er muss definiert werden. Und während ein Zweck erfüllt oder erreicht sein kann, ist ein Sinn nie komplett verwirklicht.

Zweckdienliche Dinge oder Handlungen können mehr oder weniger sinnhaft sein. So erfüllen die QM-Schattensysteme ihren Zweck, eine Zertifizierung zu erlangen, sehr wirksam. Aber sind sie sinnvoll?

 

Endliche und unendliche Spiele

Simon Sinek (2019) zeigt auf, warum wir uns in der Wirtschaft auf ein „unendliches Spiel“ einlassen sollten. Im Gegensatz etwa zu einem Fußballmatch, gibt es ja keinen Anfang und kein Ende, kein begrenztes Spielfeld, keine festgelegten Mitspieler, keine festgeschriebenen Regeln. Das Ziel ist, erfolgreich dabei zu sein, möglichst für immer.

Gewinnen-Wollen ist die Haltung, die nur zu einem endlichen Spiel passt. Das immer noch vertretene Dogma, dass langfristig nichts anderes als eine Folge von kurzfristigen Abschnitten ist, also eine Serie von endlichen Spielen, führt zu strategischer Richtungslosigkeit. Die kurzsichtige Ausrichtung auf Quartalsergebnisse und Jahrespläne (in der Politik Wahlperioden) steht der Erzeugung wirklicher Qualität und damit nachhaltig erfolgreicher Unternehmensführung (Staatsführung) im Weg. „America first“ ist ein endliches Spiel des Gewinnen-Wollens.

Wonach sollten wir uns stattdessen oder zumindest vorrangig ausrichten?

Simon Sinek nennt es die „gerechte Sache“:

„Eine gerechte Sache ist eine konkrete Vision einer Zukunft, die noch nicht eingetreten ist, aber so reizvoll, dass Menschen bereit sind, Opfer zu bringen, um sie umzusetzen.“

Die gerechte Sache gibt uns Orientierung, liefert den Kontext für die endlichen Spiele, die wir spielen müssen und speist immer wieder unsere Motivation zum Weiterspielen.

Wir nennen die Verfolgung der gerechten Sache „Sinnverwirklichung“.

 

Nichts ist kraftvoller als Sinnverwirklichung!

Was ist der Sinn von etwas? Wozu soll es dienen? Wofür soll es gut sein? Wohin soll es führen?

Diese Fragen sollen uns leiten – als Individuen und Organisationen. Nur wir selbst können und müssen sie beantworten. Wir tragen hierfür die alleinige Verantwortung.

Und diese Fragen führen uns auch durch die Krise. Sogar wenn sie erst durch die Krise gestellt werden. Gerade in Krisenzeiten brauchen wir die Energie und die orientierende Kraft der Sinnverwirklichung.  Erfolgreiche Unternehmen wie Buurtzorg beweisen es: Nichts ist kraftvoller als Sinnverwirklichung!

Gerade in Krisenzeiten sollten wir auf Sinnverwirklichung statt Gewinnen-Wollen setzen.

 

Die Verwirklichung von Sinn ist das zentrale Kriterium für Qualität. In weiteren Beiträgen, sowie in unserem Buch Quality Reinvented!

erläutern wir konkrete Umsetzungen.

 

Seit 09.11.2020 im Handel.

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1 Response
  1. Martin Schön

    Hallo QRI Team,
    ich möchte zwei Zitate hinzufügen von Michael E. Porter –
    1) „Qualität ist kein Wettbewerbsvorteil oder Teil einer Competitive Strategy – Qualität ist eine „Conditio sine qua non“
    Und
    2) „Nicht der Große frisst den Kleinen, sondern der Schnelle den Langsamen“

    Die besten Grüße
    Martin Schön

    PS. Wenn ich mir anschaue, welche Unternehmen mit welchen Strukturen in Asien wirklich Erfolg hatten (i.e. Profitabel waren), ist das nach meiner Wahrnehmung ein „proof of concept“ der Zitate.

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