Wie Sie sicherstellen, dass sich Ihre internen Audits mit den wirklich relevanten Dingen beschäftigen:

 

Gemäß Abschnitt 9.2 der ISO 9001:2015 ist das Ziel von internen Audits, Informationen darüber zu erhalten, ob das Qualitätsmanagementsystem:

  1. die Normforderungen und die selbst auferlegten Anforderungen erfüllt und
  2. wirksam ist und aufrechterhalten wird.

 

Coachendes Auditieren – Den Raum öffnen beim internen Audit.

Wie überzeugt sind Sie, dass Sie mit Ihren internen Audits Nutzen für Ihr Unternehmen generieren und nicht nur (vermeintliche) Normbefriedigung betreiben? Sind die Informationen, die Sie als interner Auditor erhalten, gehaltvoll und praxisrelevant? Wie leicht (oder schwer) fällt es Ihnen, die Erfüllung der Anforderungen der ISO 9001 und ihre Wirksamkeit durch gute Fragen zu überprüfen? Und wie offen und engagiert sind dabei die Mitarbeiter*innen und Führungskräfte? 

Für wirklich relevante und wirksame interne Audits braucht es eine intensive Einstimmung und Fokussierung. Wir nennen diese Phase des Coachenden Auditierens: Den Raum öffnen beim internen Audit. Der folgende Beitrag erläutert, wie Sie vorgehen können.

Praxisnutzen vor Normerfüllung.

Unser Ansatz des COACHENDEN AUDITIERENS stellt den Praxisnutzen des Audits in den Vordergrund. Dies wird vor allem dadurch erreicht, dass die Kolleg*innen des zu auditierenden Bereichs das Audit führen, also bestimmen, was, wie auditiert werden soll, dies umsetzen und auswerten.  Auch die Überprüfung der Normerfüllung, die „nebenbei“ stattfindet, liegt in ihren Händen. Und dazu brauchen sie noch nicht einmal Normkenntnisse.

In der Rolle als Business Quality Coach ermöglichen und unterstützen Sie diese Prozesse. Und mit der nachfolgend erläuterten Methodik „öffnen Sie den Raum“, indem Sie den zu auditierenden Bereich in die Lage versetzen, seine Aufmerksamkeit den lohnendsten, weil qualitätskritischsten Themen zuzuwenden:

Das sozio-technische System

Wir können Unternehmen, Organisationen als sozio-technische Systeme betrachten, in denen Menschen zusammenarbeiten („sozio“), um mithilfe von Technik Leistungen zu erbringen. Dem entsprechend lassen sich die Anforderungen der ISO 9001:2015 an einen Prozess auf eine menschliche und eine technische Sphäre aufteilen. Im Bild 1 haben wir die Normforderung 7.1.3 „Infrastruktur“ weiter untergliedert, um auf etwa gleich viele Elemente in beiden Bereichen zu kommen.

Bild 1: Anforderungen an Prozesse der ISO 9001:2015 im sozio-technischen Prozessmodell

Übertragen Sie das Prozessmodell aus Bild 1 auf ein großes Blatt Papier, auf ein Flip Chart oder auf eine Pinnwand. Wenn Sie das Audit Remote durchführen, erstellen Sie eine PPT-Folie oder ein digitales Whiteboard mit dem Modell.

Lassen Sie den Auditee den Prozess wählen, der betrachtet werden soll. (Sie können die Übung auch generisch, für alle Prozesse im Unternehmen durchführen und so das QM-System als Ganzes betrachten.) Bitten Sie dann den Auditee 5 bis 7 Punkte bei den Elementen zu vergeben, wo sie/er die größten Probleme bzw. Verbesserungspotentiale sieht.

Mensch vor Technik.

In aller Regel werden Sie die deutliche Mehrzahl an Punkten in der menschlichen Sphäre finden (Bild 2). Dies ist dann schon die erste wichtige und oft überraschende Erkenntnis, da QM-Systeme meist von Ingenieuren entwickelt und betreut werden und ihr Fokus auf der Technik liegt.

Bild 2: Ergebnis einer Prozessanalyse mit dem sozio-technischen Systemmodell

Bitten Sie den Auditee jetzt, das Ergebnis zu erläutern. „Kannst Du mir Deine Punktevergabe erklären?“

In allen Audits, die wir mit dieser Übung eröffnet haben, haben die Mitarbeiter*innen offen, selbstkritisch und ausführlich ihre Überlegungen erklärt. Und sie kamen dabei zu neuen, wichtigen Einsichten. Z.B. dass Stellenbeschreibungen zwar als korrekt gelenkte Dokumente vorhanden waren, sie aber zur Klärung von Rollen, Verantwortungen und Befugnissen im Arbeitsalltag tatsächlich nur wenig beitrugen. Ziele waren nicht auf die Strategie abgestimmt, nicht klar definiert und unzureichend kommuniziert. Und das, obwohl es einen Strategieplan und dokumentierte Zielvereinbarungen gab. Und recht verbreitet wurde die Politik als sehr wichtig, aber unklar bewertet. Die offizielle Q-Politik spielte meist keine Rolle im Unternehmensalltag.

Technik kann menschliche Probleme nicht lösen.

Die in den Beispielen genannten Verfahren und Dokumente taugen möglicherweise zur Befriedigung von externen Auditoren (und des häufig herrschenden Ingenieursdenken im QM), gewährleisten aber keineswegs, dass die Organisation die Qualitätsanforderungen in den genannten Bereichen wirklich erfüllt. Hier finden wir auch die Erklärung, warum die Einführung eines formellen QMS, bestehend aus diversen Dokumenten und Regularien, zum Unternehmenserfolg so gut wie nichts beiträgt. Anforderungen an menschliche Einstellungen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen können nur die Menschen erfüllen. Technische Mittel können allenfalls unterstützend wirken.

Übrigens, einer unserer Kunden, dessen Mitarbeiter*innen reichlich Problempunkte im Sozio-Bereich der Normforderungen klebten, hatte wenige Tage vor unseren internen Audits ein ISO 9001 Überwachungsaudit mit Null Abweichungen bestanden.

Die richtigen Dinge tun.

Aufgabe der Übung mit dem sozio-technischen Systemmodell ist vor allem, den Raum zu öffnen beim internen Audit. Die Übung liefert uns Hinweise, in welchen Bereichen wir ansetzen müssen. Kommunizieren die Mitarbeitenden unzureichend, sollten zunächst die Bedingungen für Kommunikation verbessert und eventuelle Hinderungsfaktoren ausgeräumt werden. Eventuell wären dann die Mitarbeitenden noch in Kommunikation zu schulen. Sind Rollen und Verantwortungen nicht klar, müssen diese zuerst in Gesprächen geklärt werden, bevor, wenn das überhaupt als sinnvoll und nützlich angesehen wird, Rollenbeschreibungen (lediglich) zur Unterstützung angefertigt werden. Dasselbe gilt für Ziele und Qualitätspolitik: Was zählt ist, dass die Dinge verstanden werden und im Arbeitsprozess Orientierung bieten. Ob und wo sie aufgeschrieben sind, ist allenfalls zweitrangig

Probieren Sie die Übung im nächsten internen Audit aus. Und wenn das Wort „Audit“ bei Ihren Kolleginnen und Kollegen Unbehagen auslöst, dann nennen Sie die Veranstaltung einfach anders, z.B. Interview zur Bestandsaufnahme und Weiterentwicklung des Managementsystems.

In jeden Fall werden Sie und der Auditee bemerken, dass das „Audit“ anders ist als bisher, und dass der führende, aktive Part vom Auditor zum Auditee gewechselt ist.

Wenn Sie mehr über diesen Rollenwechsel und dessen vielfältige, positive Auswirkungen erfahren möchten, laden wir Sie zu unserer AusbildungCOACHENDES AUDITIEREN“ ein.