Airbus A400M: Wie Vertrauensverstöße in die Katastrophe führen

Die Bedeutung von Vertrauen als Faktor des Wirtschaftslebens ist kaum zu überschätzen. Im Programm des Militärtransporters A400M zeigt Airbus eklatante Mängel im Umgang mit seinen Kunden, seinen Mitarbeitern und der Öffentlichkeit. Und auch die Kundenseite hat Anteil an der desaströsen Entwicklung des Programms.

07.07.2015 | Die spektakulären Flugvorführungen des A400M auf der Luftfahrtshow in Le Bourget Mitte Juni können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Flugzeug von Anfang an unter einem schlechten Stern stand. Im November 2014 gestand Airbus-Chef Tom Enders ein, dass die den Programmvereinbarungen „zugrunde liegenden Termine und Budgets von vornherein unrealistisch“ waren. Und: „Was wir heute sehen, ist das Ergebnis eines jahrelangen, unehrlichen Umgangs miteinander.“¹ Gemeint ist der Umgang zwischen Airbus und seinen Kunden auf staatlicher Seite – wohl in beiden Richtungen! Der kürzliche Absturz des A400M bei Sevilla, und die Vorgänge hierum, sind vorläufige Tiefpunkte eines traurigen Kapitels aktueller Industriegeschichte.

Als Berlin-Airport-Zeitzeuge ist man ja schon fast daran gewöhnt, trotzdem sei die Frage erlaubt: Wie kann ein 20 Milliarden Euro Vertrag äußerst anspruchsvollen Inhalts abgeschlossen werden, an den man nicht glaubt? Von dem man von vorneherein weiß, dass er nicht erfüllt werden wird? Das war im Dezember 2001. Seitdem reihte sich Enttäuschung an Enttäuschung. Im Jahr 2010 stand das A400M-Programm am Rand der Einstellung, bis man sich in letzter Sekunde auf einen „Kompromiss“ einigte, der aber auch nicht zu einer Normalisierung und Stabilisierung des Programms führte. Massiv verspätete Auslieferungen und gravierende technische Mängel blieben die Regel.

Am Samstag, den 9. Mai 2015² ereignete sich dann das fatale Unglück: In der Startphase eines Werkserprobungsflugs mit einer für die Türkei vorgesehenen Serienmaschine versagten drei der vier Triebwerke, das Flugzeug stürzte ab. Vier Besatzungsmitglieder kamen bei dem Absturz ums Leben.

Während Tom Enders sich auf der Airbus-Hauptversammlung am 27.05. noch nicht zu den Unfallursachen äußern wollte, ging sein Chief Strategy and Marketing Officer, Marwan Lahoud, am nächsten Tag an die Öffentlichkeit: Man wisse nun Bescheid, die falsche Software für die Steuerung der Triebwerke sei aufgespielt worden, es gebe ein „ernsthaftes Qualitätsproblem in der Endmontage“ in Sevilla. Das sei, so wird Lahoud im „Handelsblatt“ zitiert, „kein Ruhmesblatt für das Unternehmen“ – angesichts einer Katastrophe mit vier toten und zwei schwer verletzten Airbus-Mitarbeitern sowie einem Vermögensschaden im dreistelligen Millionenbereich ein geradezu zynisch anmutendes Statement.

Wie ging es inzwischen weiter? Die Leitung der Airbus-Rüstungssparte relativierte Lahouds Äußerungen, meinte, es sei zu früh, um Schlussfolgerungen zu ziehen und: „Wie bei allen Unfällen wird es sicher eine Kombination vieler Themen und nicht eine einzige Ursache sein.“ In Branchenkreisen wird gemutmaßt, Airbus betreibe „Vernebelungsversuche“. Auch Amtsträger des deutschen Staats tragen zur weiteren Verunsicherung bei („vertraulicher Bericht des Verteidigungsministeriums“): Laut SPIEGEL, seien Zulassungsprüfer der Luftwaffe von der Airbusversion der Absturzursachen nicht überzeugt und fürchteten ein „grundsätzlicheres Problem“. Und der Verkaufschef der Airbus Rüstungssparte, Christian Scherer, beschwörte in Le Bourget in klischeehafter Verkäufermanier eine „glänzende Zukunft“ für den A400M.

Schon vor dem Unfall war klar, dass das A400M-Programm nicht rentabel sein würde. Der moralische und wirtschaftliche Schaden, den das fortgesetzte Desaster insgesamt anrichtet, ist heute noch gar nicht zu ermessen.

Das Problem ist ganz sicher nicht auf mangelnde Ingenieurleistungen oder auf nachlässige Mitarbeiter in der Endmontage zurückzuführen. Es fehlte und fehlt nicht an fachtechnischem Wissen und Können. Es fehlte und fehlt, sowohl bei der Führung von Airbus als auch auf staatlicher Seite, an klarem, verlässlichem, vertrauenswürdigem Verhalten.

Vielleicht gibt es ja doch noch eine Wende zum Besseren? Auf jeden Fall gilt dafür der Satz des Leadership- und Managementlehrers Stephen R. Covey : „Aus problematischen Situationen, in die wir uns durch unser Verhalten selbst hineinmanövriert haben, können wir uns nicht durch Reden befreien.“³ Vertrauen ist relativ schnell verspielt und nur durch konsistentes, überzeugendes Handeln im Lauf der Zeit wieder zu gewinnen. Wir empfehlen allen Unternehmern, Führungskräften und Professionals, Vertrauen stets als hohen Wert, als kostbares Gut zu behandeln.

 

¹ Cicero Magazin für politische Kultur, November 2014

² Insider wissen, dass „Samstag“ wiederum auf eine Ausnahmesituation, also eine außerplanmäßige oder verspätete Aktion, meist verbunden mit Extra-Stress und vielen Überstunden, hinweist

³ zitiert in: Stephen M.R. Covey: Schnelligkeit durch Vertrauen – Die unterschätzte ökonomische Macht. GABAL Verlag, Ofenbach, 2009